Überfahrt von Kapstadt nach St. Helena

27. Juni - 11. Juli 2024

 

27. Juni:

An der Tankstelle bei der Hafeneinfahrt machen wir die beiden Tanks voll und füllen zusätzlich 100 Liter Diesel in Kanister. Wir sind froh, dass die See komplett ruhig ist, denn die Tankstelle ist auf der Außenmauer des Hafens in etwa 4 Metern Höhe und in erster Linie für die Berufsschifffahrt da. An der Außenmauer hängen riesige Reifen mit geschätzt 2 Metern Durchmesser. Die Seitenwand des Bootes während des Tankens bei Schwell zu schützen wäre alles andere als einfach. 

 

Ein letzter wehmütiger Blick zurück auf Kapstadt. 

Wie vorhergesagt, haben wir sehr schwachen Wind aus Ost. Wir haben das Vorsegel ausgerollt und segeln mit Motorunterstützung, es scheint die Sonne und die See ist ruhig. Laut unserem Wetterexperten Chris Parker soll der Wind in zwei Tagen zunehmen. Die Jahreszeit ist an sich nicht sehr günstig für die Überfahrt, sie ist aber ganzjährig möglich. Auf bessere Bedingungen zu warten könnte lange dauern. 

 

In der Bucht vor Kapstadt schwimmt viel losgelöster Kelp, rund armdick und mehrere Meter lang, denen wir ausweichen. Zweimal verfängt sich so ein Riesengebilde mit Stengel an einem Propeller, löst sich aber problemlos mit kurzer Fahrt im Retourgang. 

 

Es sind viele Cargo-Schiffe unterwegs, wir sehen so viele wie bisher noch nie auf unserem Monitor. Der Südatlantik ist jetzt offensichtlich die bevorzugte Route nach Europa, nachdem die wesentlich kürzere Route durch das Rote Meer gefährlich geworden ist. Die größten Schiffe sind 400 m lang, manche fahren bis zu 20 Knoten schnell (37 km/h).

Am 28. Juni dreht der Wind auf Nord-Ost und weiter auf Nord-Nord-West, bleibt schwach, wir segeln weiterhin mit Motorunterstützung, die Wellen kommen unangenehm von der Seite, die See ist rau. Wir sind in einer neuen Zeitzone (minus eine Stunde).

 

29. Juni: 

Zu Mittag setzen wir bei 18 Knoten Wind aus West-Nord-West zum ersten Mal unseren neuen, in Durban gekauften Gennaker. Er sieht sehr gut aus und das Boot läuft damit viel ruhiger. Nach einiger Zeit ist Erwin irritiert, dass das Fall nicht mehr so gespannt ist wie beim Setzen und das Segel etwas tiefer gekommen ist. Das Fall ist am Mast auf einer Klampe gesichert und die Klemme danach ist zu. Das Fall läuft im Mast nach oben. Mit Entsetzen realisiert Erwin, dass sich an der Klemme der Mantel des Falls gerissen und zusammengeschoben hat. Nach der Klemme nur noch die Seele des Falls nach oben zur Aufhängung an der Segelspitze führt. 

 

Der windgefüllte 75 m2 große Gennaker ist außer Kontrolle. Ohne funktionierendes Fall kann der Gennaker nicht geborgen werden, die Situation ist prekär. Der Versuch, das Segel mit dem Furler einzurollen scheitert, dafür ist das Vorliek zu wenig gespannt. Alle Versuche, das Fall funktionsfähig zu machen scheitern ebenfalls. Die Seele des Falls kann nicht über die Winsch gespannt werden, weil das glatte Material auf der Winsch nicht genügend Reibung hat, der zusammengeschobene Mantel des Falls vor der Klemme kann nicht zurückgezogen und durch die Klemme geschoben werden. Das sich im Mast befindliche Fall kann in keiner Richtung bewegt werden, die Segelspitze an der oberen Aufhängung kann ohne Fall nicht heruntergelassen werden. Wir müssen das Segel in einer kontrollierten Aktion herunterbekommen. Es bleibt nur die Möglichkeit, das Fall, die Seele, durchzuschneiden und das Segel herunter zu ziehen.. 

 

Obwohl wir das Boot so steuern, dass der Winddruck aus dem Gennaker genommen ist, ist es nicht möglich, das Segel an Deck zu bändigen. Den Fußpunkt des Segels haben wir an Deck unter Kontrolle, aber die obere Aufhängung in etwa 15 m Höhe schlägt mit ungeheurer Wucht herum und wir müssen aufpassen, dass wir nicht beim Versuch, das Segel zusammenzubinden vom Deck gerissen werden. 

 

Das schöne, neue Segel, das mit dem Fußpunkt an Deck ist, fällt steuerbordseitig ins Wasser und wir können es relativ problemlos auf das Deck hinaufziehen und verstauen. Unsere Stimmung ist am Tiefpunkt, wir hatten uns von den beiden neuen Segeln, dem Gennaker und dem asymmetrischen Spinnaker viel erhofft, ohne das Fall können wir beide nicht einsetzen. Es ist bereits stockfinster, als wir das Groß setzen und weitersegeln. 

 

Vom 30. Juni bis 2. Juli sind wir in einer Flaute, es ist sonnig und die See ist ruhig. Der schwache Wind dreht von West-Nord-West über Süd auf Süd-Süd-Ost. Wir motorsegeln mit Groß und Vorsegel. Die Nächte sind wärmer als in Kapstadt. Wir haben noch 1.000 Seemeilen bis St. Helena vor uns.

 

Fast jeden Tag begleiten uns Seevögel, die bewundernswert und scheinbar ohne Anstrengung über den Wellen Steilkurven fliegen. Sie kommen ganz nahe zum Boot, aber es landet keiner. Es muss Futter im Meer geben, sonst wären sie nicht da.

3. und 4. Juli:

Der Wind bleibt auf Süd-Süd-Ost, nimmt an Stärke etwas (12-19 Knoten) zu. Wir segeln mit Groß und Vorsegel in 'Butterfly-Stellung' und haben eine Bootsgeschwindigkeit zwischen 6,4 und 7,8 Knoten. Es ist zumeist bewölkt, die Nächte sind pechschwarz. Bis jetzt haben wir noch kein einziges Segelboot auf unserer Strecke am Monitor gesichtet.

 

Wir bemerken ein schleifendes und 'zwitscherndes' Geräusch unter unserem Bett. Erwin ordnet es dem Autopiloten zu. Wir sind sehr besorgt und können nur hoffen, dass er nicht ausfällt. Erwin inspiziert den Autopiloten im Motorraum unter der zweiten Heckstufe. Das Geräusch kommt vom Kolben, der sich unauffällig bewegt. Er sprüht üppig Silicon darauf, worauf das Geräusch deutlich leiser wird. 

 

5. und 6. Juli:

Die Angel war schon drei Tage und Nächte draußen, dann völlig unerwartet Fischalarm! Erwin zieht einen kapitalen Mahi Mahi aus dem Wasser. Er ist 130 cm lang und wiegt geschätzt 20 kg. Es ist ein schönes Tier und hat richtiggehend Pech gehabt. Keine Fischerboote und außer uns keine Segler weit und breit und er findet den einen einsamen Köder. 

Die rund zwei Stunden Beschäftigung mit dem riesigen Fisch, bis er an Bord, getötet, zerlegt und die Filets im Kühlschrank verstaut sind, hebt die Stimmung an Bord und wir freuen uns auf den ersten Mahi Mahi zu Mittag. Ab jetzt gibt es täglich Fischfilets.

 

Wir haben leichte, variable Winde, die von Ost-Süd-Ost über Süd auf Süd-Süd- Ost drehen. Die See ist sehr ruppig, die Wellen konfus. Nach wie vor segeln wir mit Groß und Vorsegel in 'Butterfly'- Stellung. Inzwischen haben wir eine weitere Zeitzone passiert (minus eine weitere Stunde). 

 

7. Juli:

Der Wind aus Süd-Süd-Ost kommend legt auf 20 bis 30 Knoten zu, die See ist extrem unruhig, die 3 - 4 Meter hohen Wellen kommen von der Seite. Die Gischt geht über das Boot, das Cockpit wird regelmäßig eingesalzen. Eine extrahohe Welle neigt das Boot ruckartig zur Seite und ein, zwei Sekunden haben wir ein ziemliche Schräglage. Objektiv wahrscheinlich (noch) nicht gefährlich, subjektiv ziemlich beängstigend. Der Himmel ist fast wolkenlos, die Gusts in den Dreißigern. Nicht der Wind, sondern die Wellen sind das Problem. Wir segeln mit durchschnittlich über 8 Knoten Geschwindigkeit, maximal mit 10,9 Knoten. Wir reduzieren das Vorsegel auf etwa 50% und ändern den Kurs, um die giftigen Wellen etwas zu entschärfen. Bei dem Manöver verhängt sich das Vorsegel, das gefangene Segel schlägt wild um sich und reißt ein und der UV-Schutz löst sich ab. Das ist reparierbar, hoffentlich in St. Helena. Wir müssen nur mit dem Groß, in dem das 2. Reff eingebunden ist, die letzten 450 Seemeilen durchhalten, sind dadurch deutlich langsamer. 

 

10. Juli: 

Der Wind mit 10 - 19 Knoten kommt überwiegend aus Ost-Süd-Ost. Am Nachmittag haben wir noch 111 Seemeilen bis St. Helena. Wir beschließen, einen Motor dazu zunehmen, um am 11. Juli zu Mittag in St. Helena zu sein. Um am selben Tag einklarieren zu können, müssen wir während der Amtsstunden der Hafenbehörden zwischen 8:30 und 16:00 vor Ort sein. Langsam segeln und einen Tag länger unterwegs sein, wollen wir nicht mehr. 

 

 

St. Helena

11. -   Juli 2024

 

11. Juli:

Am späten Vormittag Land voraus! Wir sehen St. Helena. Ein schönes Gefühl nach zwei Wochen nur Wasser. Mehrere hohe, imposante Vulkanfelsen mit zum Meer steil abfallenden Wänden, dazwischen schmale, begrünte Taleinschnitte. 

11. Juli:

Um 13 Uhr, nach zwei nicht sehr angenehmen Wochen im Südatlantik suchen wir einen Ankerplatz und lassen nach 1861 Seemeilen (3446 km) in der James Bay vor der Hauptstadt Jamestown den Anker fallen. Im Internet sind die Ankerplatzkoordinaten in der Mitte des Mooringfeldes angegeben. Dieser Punkt liegt nahe an der Felswand und wir versprechen uns dadurch eine bessere Abschirmung vom Wind und vom Schwell. Wir halten uns von den Moorings so fern wie möglich, kommen aber trotzdem relativ nahe zu einer Mooringboje zu liegen. Die 20 Moorings, die normalerweise für Segelboote vorgehalten werden, dürfen nicht verwendet werden, sie werden gewartet.

 

Viele kleine Fischerboote und drei Segelboote liegen in der Bucht. Hohe Felswände schützen die Bucht vor Süd-Ost-Winden.

 

Das Einklarieren geht zügig, wie überall sind eine Menge Formulare auszufüllen. Alle Behörden befinden sich in einem Gebäude am Hafen von Jamestown. Der Hafen ist nicht dazu geeignet, mit dem Dinghy anzulegen, man wird vom Ferry Service vom Ankerplatz abgeholt und wieder zurückgebracht. 

Die Insel hat knapp 5.000 Einwohner. Fast überall, wo es das Gelände erlaubt, wurde gebaut. Die meisten Einwohner leben hoch über dem historischen Ort Jamestown. 

 

Die Häuser in Jamestown erinnern an Gebäude in einem verträumten Provinzstädtchen irgendwo in England. Es gibt eine Main Street, auf der sich die wichtigsten Einrichtungen befinden und sich alles abspielt. Man sieht viele Autos in Jamestown, alles ist zugeparkt. Kein Wunder, die Menschen arbeiten in Jamestown, wohnen aber weit außerhalb bzw. oberhalb. Zu Fuß wären diese Siedlungen über die steilen Straßen schwer erreichbar. Öffentlichen Verkehr gibt es nur sehr wenig. Die Leute sind entspannt und freundlich, man grüßt sich auf der Straße.  

St. Helena hat eine eigene Währung, das St. Helena-Pfund, das fix an das englische Pfund gekoppelt ist. Wir gehen in ein Restaurant und erfahren, dass man auf der Insel nur mit St. Helena-Pfund oder lokalen Debit-Karten bezahlen kann, nicht aber mit normalen Kreditkarten. Uns wird angeboten später zu bezahlen, nachdem wir auf der Bank Geld wechseln waren, was wir gerne annehmen. 

 

Versorgt wird die Insel von Südafrika aus und vom Mutterland. Einmal pro Woche kommt ein Flugzeug aus Johannesburg.  

 

Der Fremdenverkehr spielt eine gewisse Rolle. In der Hauptsaison legen wöchentlich ein bis zwei Kreuzfahrtschiffe an. Für einige Stunden wird Jamestown von mehreren Tausend Touristen überrannt, die dann die Napoleon-Gedenkstätten aufsuchen und danach wieder auf das Schiff zurückkehren. Vorübergehend ist fast jeder Einheimische ein Taxifahrer.

Wir verbringen den Nachmittag in Jamestown. Beim Zurückfahren mit der Fähre zu unserem Boot meint der Fahrer, dass wir Probleme mit unserem Anker haben werden, weil wir sehr knapp bei einer Mooringboje liegen und sich die Ketten der Mooringbojen gerne mit den Leinen und Ankerketten verfangen. Wir müssen uns einen anderen Ankerplatz, weit weg von Mooringbojen suchen. Am Boot sehen wir dann, dass diese Mooringboje immer wieder zwischen den beiden Rümpfen durchschwimmt und unter dem Trampolin herumtanzt. Wir wollen sie mit dem Bootshaken vom Boot abdrängen, was nicht gelingt. Offensichtlich hat sie sich bereits mit unserer Ankerkette verfangen. Erwin versucht vergeblich, den in 15 m Tiefe liegenden Anker aufzuholen, bei 8 m ist aber Schluss. Es ist bereits finster geworden. Erwin lässt den Anker wieder hinunter und wir verschieben alles weitere auf morgen. Wir sind von der Überfahrt müde, hören noch einige Male die Mooringboje an die Innenseiten der Rümpfe schlagen, schlafen aber trotz der Sorge um den Anker durch eine ruhige Nacht.

 

In der Früh geht Erwin mit Maske, Schnorchel und Flossen ins Wasser, das nicht allzu kalt und glasklar ist. Er sieht, dass sich unsere Leinen zum Aufholen der Hahnepots so fest um die Kette der Mooringboje gewickelt haben, dass es unmöglich ist, sie von der Mooring Kette zu trennen. Die Leinen müssen durchgeschnitten werden. Erwin macht es ohne Tauchausrüstung. Bis die Leinen durchgeschnitten sind, muss er einige Male mehrere Meter tief hinuntertauchen. Wir sind heilfroh, als die befreite Mooring endlich vom Boot wegschwimmt. 

 

Das Umankern ist schwierig. Wir glaubten, schon frei zu sein, aber der Anker lässt sich nur bis etwa 7 Meter aufholen. Unser Anker hat sich zusätzlich in die auf dem Grund liegende Mooringkette eingehakt. Erwin versucht einige Male den Anker aufzuholen, es gelingt immer ein bisschen höher. Die Ankerwinsch schaltet sich bereits wegen Überlastung aus. Dann lässt Erwin den Anker rasch fallen, wodurch sich der Anker von der Kette löst und aufgeholt werden kann.   

 

17. Juli:

Etwa 20 km von Jamestown entfernt in Longwood befindet sich das ansehnliche Anwesen, in dem Napoleon bis zu seinem Tod 1821 gelebt hat. 

Die Napoleon-Gedenkstätte ist ein Platz der Heldenverehrung, zum Teil kitschig und übertrieben. Die vielen Opfer und Invaliden der napoleonischen Kriege finden hier kein Gedenken. Das Anwesen wurde von Frankreich gekauft und ist französisches Staatsgebiet. 'Bon jour' statt 'Hello'.

 Napoleon ist mit 52 Jahren nach 6 Jahren in der Verbannung gestorben.

Es war der Wunsch Napoleons, im nahegelegenen Sane Valley begraben zu werden. 1840 wurden auf Veranlassung von König Louis Philippe die sterblichen Überreste Napoleons exhumiert und nach Paris gebracht, wo er mit allen Ehren im Invalidendom seine endgültige Ruhestätte fand. 

18. Juli:

Wir machen eine Fahrt mit dem Taxi durch die Insel. Die Straßen sind schmal mit vielen engen Kurven, es geht praktisch immer bergauf. Der Fahrer muss wissen, vor welchen Kurven man hupen muss, um entgegenkommende Autofahrer zu warnen. 

Am Ladder Hill, dem Endpunkt der 699 Stufen hohen Jakobsleiter, bläst der Wind wie verrückt, der Ausblick ist wunderbar.  

  

Die Anlage des High Knoll Forts ist riesig und für die Sicherung der Seewege zu den britischen Kolonien wurden anscheinend keine Ausgaben gescheut. 

Wir kommen beim Plantation House, dem Wohnsitz des Govenor's von St. Helena, vorbei. Er wird von der Regierung in England ernannt und ist nicht gewählt. Ein stattliches Anwesen, auf dem drei Galapagos Schildkröten, davon Jonathan mit 191 Jahren, als Touristenattraktion zu Hause sind. Ein großer Gemüsegarten und ein Tennisplatz runden die Anlage ab. 

Die Insel ist sehr grün und das überrascht nach dem fast vegetationslosen Berghängen im Tal von Jamestown.

An der Südostseite der Insel liegt die Sandy Bay und hier begegnen sich imposante vulkanische Gesteinsformationen mit üppigem Grün. 

An den vulkanischen Berghängen gibt es viele Wege, die schöne Ausblicke in die Bucht bieten. Der Aufwand für diese Wege, die zum Teil nur durch hohe Mauern an den Hängen möglich sind, muss in der damaligen Zeit enorm gewesen sein. 

21. Juli:

In der Früh haben wir Windstille und können den Gennaker, den wir während der Überfahrt nur provisorisch in eine Bugkabine hineinstopfen konnten, hissen und wieder schön aufrollen. Jem, von der 'Heaven's Door', hatte zum Glück ein passendes gebrauchtes Fall, 12mm Dyneema, in seinem Fundus, sonst hätten wir es aus Südafrika einfliegen lassen müssen. Für das Einfädeln in den Mast haben wir einen jungen Hafenarbeiter engagiert, ich wollte nicht, dass Erwin auf den Mast hinaufgeht.  

 

22. Juli:

St. Helena hat einige attraktive Wanderungen, die als 'Post Box walks' bezeichnet werden. Am Nachmittag gehen wir zum Heart-shaped Waterfall, der oberhalb von Jamestown liegt. Der schmale Pfad führt über steile Felsstufen, Holzbrücken und Leitern durch dichten, naturbelassenen Wald zum Wasserfall hinauf. 'Wasserfall' sehen wir keinen, nur einen unscheinbaren Wasserfaden, der über die 90 Meter hohen Felsen rieselt. Die Wasserzuflüsse werden oberhalb in einem Reservoir für die allgemeine Wasserversorgung auf der Insel gesammelt und nur, wenn das Reservoir voll ist, fließt Wasser über den Wasserfall ins Tal. Es ist eine schöne, abwechslungsreiche Wanderung laut iPhone über 7,1 km und 21 Stockwerke. 

Anschließend holen wir das reparierte Vorsegel, das ebenfalls während der Überfahrt hierher beschädigt wurde, vom Segelmacher ab. Jetzt sind unsere Segel wieder komplett und sobald das Wetter passt, wollen wir weiter nach Fernando de Noronha segeln, das liegt etwa 1.800 Seemeilen oder rund 3.300 km entfernt. Die Insel liegt etwa 200 Seemeilen vor dem südamerikanischem Festland und ist berühmt für ihre schönen Strände, die 'spinning dolphins' und ihre reiche Unterwasserwelt. 

25. Juli:

Heute machen wir eine ausgedehnte Inselrundfahrt. Unser Guide Aaron ist eine Quelle für die Geschichte und die aktuellen Probleme der Insel.

St. Helena war aufgrund der entlegenen Lage vor der Ankunft der ersten Europäer im 16. Jahrhundert dicht bewaldet, ohne Menschen und Säugetiere. Die Portugiesen setzten Ziegen als Proviantbasis aus, die sich enorm vermehrten und die Insel weitgehend kahlgefressen haben. Als Folge davon wurde der über Jahrtausende aufgebaute fruchtbare Boden durch starke Regenfälle ins Meer geschwemmt. 

 

Das Vulkangestein hat keine Speicherfähigkeit und leitet Niederschläge oberflächlich in Sturzfluten ab. Durch die Besiedelung wurde Holz zusätzlich als Energieträger genutzt. In Phasen der extremen Not wurden die Ziegen ihrerseits von den Siedlern aufgegessen. Heute gibt es keine wildlebenden Ziegen mehr auf der Insel. Langsam, langsam beginnen sich völlig kahle Vulkanhänge wieder mit Pionierpflanzen zu begrünen.

St. Helena war in seiner Geschichte mehrmals großen Veränderungen ausgesetzt. Mit Napoleons Ankunft wurde in kurzer Zeit eine rund 1000 Mann starke britische Garnison stationiert und mit Napoleons Tod wieder abgezogen. Durch die Eröffnung des Suezkanals fielen praktisch über Nacht alle Einnahmen durch die Handelsschifffahrt weg und die Insel verlor ihre Bedeutung als Versorgungsquelle.

 

Auf der Insel wird sehr wenig produziert, auch der Eigenbedarf wird nicht gedeckt, weil der Import von Südafrika wirtschaftlicher erscheint. Eine Ausnahme ist Kaffee mit einer jährlichen Ernte von etwa 4 Tonnen. Die Kaffeesträucher wurden ursprünglich 1732 vom Jemen importiert und sind zusammen mit dem vulkanischem Boden die Grundlage für einen speziellen Kaffee. Der Rosemary Gate Estate Kaffee erzielt Spitzenpreise, für 125 g werden etwa 100 Euro von Kaffeeliebhabern bezahlt. Wir haben ihn gekostet, er schmeckt hervorragend. Zu Erwin's Freude wachsen auf der Insel auch sehr wohlschmeckende Bananen. Bananen dürfen nicht importiert werden, weil die Bananenstauden auf der Insel schädlings- und krankheitsfrei sind. Einmal in der Woche kann man Bananen direkt vom Erzeuger im Ortszentrum kaufen.

 

Die Einwohner von St. Helena sind eher ältere Jahrgänge, die Insel bietet wenig Möglichkeiten und mit dem britischen Reisepass haben junge Leute Chancen in England und auch Südafrika. Es gibt rund 50 Todesfälle und nur rund 5 bis 15 Geburten pro Jahr.

 

29. Juli:

Wir haben am Freitag ausklariert und wollten am Sonntag nach dem Frühstück Richtung Fernando de Noronha ablegen. Daraus ist leider nichts geworden. Unsere Servicebatterien konnten am Wochenende überraschend nicht mehr die Spannung liefern, die für den Betrieb der elektrischen Geräte und der Bordelektronik notwendig ist. Ständig gab es einen Low Voltage Alarm mit nur 11.3 Volt Spannung und das bei einem Ladezustand der Batterien von 88%. Das hätte bedeutet, dass ständig ein Motor hätte laufen müssen, um die Spannung hochzuhalten. Bei einer Fahrt über rund 3.300 km praktisch unmöglich.

 

Nach dem Durchmessen der einzelnen Batterien haben wir heute neue Batterien gekauft, die zum Glück lagernd waren. Der vorzeitige Alterungsprozess bei den sehr teuren und als besonders hochwertig angepriesenen Batterien, die wir vor zwei Jahren nach der Pandemie in Neuseeland gekauft haben, ist unerklärlich. Wir haben sie immer sorgfältigst behandelt. Wir hoffen, dass der Einbau keine Probleme macht und wir morgen Nachmittag ablegen können.

 

30. Juli:

Die neuen Batterien sind eingebaut und wir legen am Nachmittag ab.